Die Digitalisierung der Chefetage
Auch auf den Kongressen im Jahr 2019 konnte sich die Branche in teilweise hochkarätigen Vorträgen über die jüngsten Entwicklungen zu Themen wie Digitalisierung, E-Commerce, Multi-Channel-Lösungen und nicht zuletzt über innovative Bezahltechnologien informieren. Die bisherige Realitätsverweigerung weicht der Erschütterung bis in die Grundfesten. Zwischenzeitlich entwickeln manche eine Ahnung davon, was man machen muss, und vielleicht auch bald eine Idee, was man machen kann. In manchen Unternehmen zeichnen sich strategische Ausrichtungen ab. Und dann geht es aber auch noch um das Wie.
Heute muss der Veränderungsprozess sichtbar beim Spitzenpersonal beginnen. Die digitale Revolution zeigt zwischenzeitlich sogar Wirkung auf der Chefetage. Kaum hat man im Unternehmen den neuen Chief Information Officer (CIO) präsentiert, schon gibt es den nächsten „Head of …“.
Besser bekannt als IT-Leiter oder Herr der Systeme ist der CIO verantwortlich für die gesamte IT-Infrastruktur – von den Servern im Rechenzentrum und den Netzwerken über die Datenbanken bis zu den einzelnen Anwendungen, einschließlich IT- Sicherheit. Diese sind auch für die Analyse und das Design von Geschäftsprozessen zuständig, um diese IT-seitig abbilden zu können.
Geht es aber um die Weiterentwicklung des Unternehmens auf der Ebene der Prozesse und der Technologie und damit um die digitale Transformation, so setzen Unternehmen immer mehr auf einen Chief Digital Officer, den sogenannten CDO. Der Chief Digital Officer ist strategisch ausgerichtet und gibt die Gesamtheit aller Leitlinien für den digitalen Wandel vor. Dafür muss er die Entwicklungen am Markt und die Wünsche der Kunden kennen, diese verstehen und daraus die richtigen Schlüsse für Produkte und Services ziehen. Gleichzeitig muss er die Konsequenzen bedenken, die sich daraus für das Unternehmen und die IT-Infrastruktur ergeben.
Und damit ergibt sich das nächste Dilemma. Immer mehr Unternehmen rufen nach einem CDO, können aber noch nicht einmal genau definieren, wie dessen Profil aussehen soll. Die pauschale Forderung ist dann eben die Suche nach Kandidaten, die die Digitalisierung managen können.
So fallen dann schon einmal Sätze wie: „Wir brauchen jemanden von Amazon“ oder „Wir brauchen so einen von Otto“. Um das Risiko einer Fehlbesetzung zu minimieren, ist es zwar nicht einfach, aber wichtig, anstehende Themen und die Aufgaben des CDOs herauszuarbeiten. Daraus ergibt sich dann das Anforderungsprofil, und dann erst kann mit einer zielführenden Suche begonnen werden.
Hinzu kommt, dass ein CDO in vielen Fällen kein eigenes Team hat. Er muss mit den verschiedensten Protagonisten im Unternehmen zusammenarbeiten. Das setzt immer die völlige Unterstützung in der Geschäftsleitung voraus.
Unterschieden wird bei dieser Position in fünf Typen wie „Progressive Thinker“, „Creative Disrupto“, „Customer Advocate“, „Innovative Technologist“, und nicht zuletzt „Der Universalist“.
Die Aufgaben könnten unterschiedlicher nicht sein: So kümmert sich Jean-Jacques van Osten, CDO der REWE Gruppe, vornehmlich darum, den Online-Service für die Kunden zu verbessern und diese aktiv in die Gestaltung des Online-Angebotes einzubinden. Postbank-CDO Philipp Laucks dagegen muss das Bankgeschäft immer auf dem neuesten Stand halten und Johann Jungwirth von Volkswagen neue Mobilitätskonzepte austüfteln.
Dreimal der gleiche Job, drei völlig unterschiedliche Aufgaben. Entsprechend gibt es nicht den Lebenslauf oder die Fähigkeiten, die einen guten CDO ausmachen. Schaut man sich die Karrierestationen von CDOs an, sieht man, dass sie oft einen technischen Hintergrund haben oder aus dem Marketing oder aus der Beratung kommen.
Alexander Wink vom Beratungsunternehmen Korn Ferry spricht von der Suche nach einem Kandidaten mit Januskopf, also in unserem Fall mit dem Gesicht des Informatikers auf der einen und dem Gesicht des Commercial Mindset auf der anderen Seite.
Wenn Unternehmen eine umfassendere Transformation anstreben, brauchen sie auf dieser Position Manager mit tiefgreifendem Verständnis und Beratungskompetenz. Im Ergebnis ist es beim CDO wie bei der normalen Fachkraft:
Je mehr Anforderungen die Unternehmen an eine einzelne Person haben, desto schwieriger ist es, sie zu finden. Eierlegende Wollmilchsäue sind nun mal eher selten.