Plädoyer für das Arbeitszeugnis
Die Bedeutung von Arbeitszeugnissen im Rekrutierungsprozess ist limitiert. Viele Zeugnisse erfüllen leider allein schon deswegen nicht ihren Zweck, weil ihnen gehaltvolle Informationen fehlen. Neben dem Lebenslauf als Herzstück einer Bewerbung kommt auch der Einholung von Referenzen eine große Bedeutung zu. Einen Trend weg vom Arbeitszeugnis ist aber in der heutigen Personalarbeit nicht auszumachen. Allein die Rechtslage würde das nicht erlauben.
Richtig ist sicherlich, dass die Aussagekraft von Arbeitszeugnissen deshalb in Zweifel gezogen wird, weil sie nicht nur wohlwollend, sondern oftmals zu positiv formuliert sind, weil das ausstellende Unternehmen kein Interesse hat, deswegen einen Rechtsstreit zu führen. Gerade bei leistungsbedingten Trennungen findet man in der Regel keine objektive Aussage über die tatsächlich erbrachte Leistung.
Die Aussagekraft ist auch deshalb oft sehr unterschiedlich, da jeder Arbeitgeber seinen eigenen Zeugnisstil pflegt und der Grad der Professionalität stark variiert. Dies gilt insbesondere für Zeugnisse auf Executive-Level. Welcher Personalreferent oder HR-Manager hat schon Übung im Ausstellen von Arbeitszeugnissen von Leitenden. Professionell gemachte Zeugnisse sind durchaus aussagekräftig. Die Unterschiede zwischen schlechten und durchschnittlichen Zeugnisse sind zwar oft gering, hervorragende Beurteilungen lassen sich aber dennoch klar erkennen.
Deshalb kommt dem Zeugnis im Rekrutierungsprozess bzw. im Auswahlverfahren nach dem Lebenslauf nur eine nachgeordnete Rolle zu. Aus dem Zeugnis werden im Idealfall Informationen zu den bisherigen Aufgaben sowie zu Leistung und Verhalten eines potenziellen Mitarbeiters gewonnen. Auch ist der letzte Absatz von besonderem Interesse.
Die Schlussformel ist wahrscheinlich die heikelste Stelle im ganzen Zeugnis. Diesen Satz kann man als Interpretation des gesamten Zeugnisses verstehen. Viele Personaler lesen aus diesem Grund ein Zeugnis gerne von hinten nach vorne. Die Schlussformel eines sehr guten Zeugnisses besteht aus den drei Bestandteilen: Bedauern des Unterzeichnenden über das Ausscheiden des Zeugnisempfängers, Dank für die geleistete Arbeit sowie gute Wünsche für die berufliche wie private Zukunft.
Obwohl das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2012 bereits entschieden hat, dass ein Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf die Aufnahme einer „Dankens- und Bedauernsformel“ als Schlussformel im Zeugnis hat (BAG, Urt. v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11), werden die Gerichte neben Streitigkeiten um die richtige Note auch weiterhin in Anspruch genommen, gerichtlich klären zu lassen, wie eine Schlussformel ausgestaltet werden soll.
Es gibt viele Zeugnisse und Zeugnisausstellende, die oft auch ungewollt und unbewusst gegen rechtliche Auflagen verstoßen, potenzielle Arbeitgeber verunsichern, Mitarbeitern das Fortkommen erschweren und mehr Verwirrung stiften und Missverständnisse erzeugen, als gehaltvolle und faire Informationen über Leistung und Verhalten zu vermitteln.
Es zeichnet qualitativ überzeugende Zeugnisse aus, sich aus der Masse von floskelhaften, nichtssagenden und austauschbaren Arbeitszeugnissen hervorzuheben und mit präzisen, individuellen und gehaltvollen Bewertungen und Aussagen sich selber, den Mitarbeitern und kommenden Arbeitsgebern das Leben einfacher zu machen und Probleme und Missverständnisse zu vermeiden.