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„Nobody is perfect“

Es ist mal wieder so weit. Die Kennzahlen stimmen nicht. Im Vergleich zum Vorjahr nicht und zum Plan sowieso nicht. Woran liegt es diesmal? An wem liegt es? Wessen Schuld ist es? Am Einkäufer, der das falsche Sortiment eingekauft hat, am Disponenten, der zu wenig bestellt hat, am kaufunwilligen Kunden, am Verkauf, der falsch bestellt hat, an der Auslieferung, die das Möbelstück nicht gemäß den Vorgaben montiert hat?

Die Suche nach „dem Schuldigen“ ist zwar nicht immer nutzlos. Doch leider ist die Fehlerkultur in unserer Gesellschaft genau darauf fixiert. Statt Fehler als menschlich zu akzeptieren und produktiv zu nutzen, versuchen wir, sie mit allen Mitteln zu vermeiden, weil wir nicht als Schuldige darstellen wollen.

Die Angst vor Entscheidungen, die uns bei der Erreichung von Zielen ausbremst, ist eng an dieses Problem geknüpft: Oft tun wir lieber nichts als womöglich das Falsche. Wer Fehler macht, gilt wahlweise als dumm, schlecht vorbereitet oder überfordert.

Kein Wunder: Von Kindesbeinen an werden Fehler bestraft. Durch schlechte Noten, elterlichen Tadel, Anpfiff vom Chef. Die Fehlervermeidung und Fehlerleugnung lenkt nur allzu oft unser Denken und Handeln.

Kommt es dann doch zum Misserfolg, zur Fehlentscheidung oder Unachtsamkeit schüttet unser Gehirn Stresshormone aus. Der Betroffene schämt sich, anstatt gleich wieder in den Sattel zu steigen. Seine Selbstsicherheit sinkt. Er macht im Zweifel so wenig wie möglich aus eigener Initiative und aufgrund des Drucks wahrscheinlich wieder einen Fehler.

Die negative Reaktion setzt eine Abwärtsspirale in Gang. In vielen Fällen wird sie ausgerechnet von Führungskräften oder Vorbildfiguren in Gang gesetzt. Zu viele von ihnen bemessen Leistung nicht danach, wer mutig und innovativ handelt, sondern danach, wer sich konform verhält und am wenigsten „falsch“ macht.

Fehler gelten in unserer ergebnisorientierten Wirtschaftskultur als Zeichen von Schwäche. Viele glauben, Fehler seien das Gegenteil von Erfolg. Vermeintlich können sie unsere Karriere zerstören. Sie rütteln an unserem Selbstvertrauen. Das Urteil, mit dem wir aufwachsen, ist tief in unser Denkmuster eingebrannt: Fehler sind schlecht.

Warum gehen wir nicht produktiv mit Fehlern um? Warum kasteien wir uns für unsere Fehler, anstatt sie aktiv zu nutzen? Fehler sind doch ein Teil unseres Lebens und schließlich ein Teil unsers Erfolges. Es heißt doch auch „aus Fehlern lernen“.

Wir können Fehler auch als Erfahrung begreifen und aus Misserfolgen später Erfolge werden lassen. Was muss also passieren, damit wir alle von einem gesunden Umgang mit Fehlern profitieren können?

Eindrucksvoll und authentisch beschreibt der Berufspilot und Autor Philip Keil in seinem Vortrag „Crash oder Punktlandung“ und in seinem sehr lesenswerten Buch „DU bist der PILOT“ den Umgang mit Fehlern in der Luftfahrt und in der sog. freien Wirtschaft. So wie es hier und da eine Unternehmenskultur gibt, kann es auch eine Fehlerkultur geben:

Fehler sind unvermeidlich. Menschen machen sie nun mal. Solange sie entdeckt und aufgefangen werden, sind sie jedoch kaum kriegsentscheidend.

 

Die Gefahr liegt vielmehr darin, dass ein Fehler nicht entdeckt oder sogar vertuscht wird. Wird er nicht von einer anderen Instanz aufgefangen, setzt sich eine Fehlerkette in Gang. Kommen erstmal mehrere Fehler und begünstigende Faktoren zusammen, wird der Schneeball schnell zur Lawine.

Zurück zu unserem Beispiel, die Kennzahlen stimmen nicht. Wenn also aus Kostengründen Personal im Verkauf entlassen wird, ist die Frage zu stellen, wer dem Kunden die Ware verkauft. Vielleicht erhält ja der Kunde seine Fragen doch eher in dem einen oder anderen Webshop beantwortet.

Die Lösung liegt nicht darin, Fehler zwanghaft vermeiden zu wollen, sondern immer darin, konstruktiv und im besten Fall kreativ auf sie zu reagieren. Herausforderungen wie die digitale Transformation und der Fokus auf Wachstum lassen hier und da die Profitabilität aus den Augen verlieren.

Das Experimentieren mit neuen Konzepten, eigentlich immer fehlerbehaftet, bedarf hier völlig neuer Strukturen. Bei den seit 2014 jährlich vergebenen XING New Work Awards werden zukunftsweisende Arbeitsmodelle ausgezeichnet, die das Zeug haben, nachhaltig Einfluss darauf zu nehmen, wie wir arbeiten. Einer der ersten Preisträger war Dark House Innovation, eine Agentur für Innovationsentwicklung. Das Beispiel des jungen Unternehmens zeigt, dass der Umgang mit Fehlern große Bedeutung für die Innovationskraft hat. Zum einen arbeiten dort alle hierarchiefrei zusammen, was die Hemmschwelle Fehler zu thematisieren, sinken lässt. Zum anderen hat das Unternehmen einen „Fail Award“ eingeführt, bei dem der „beste Fehler“ ausgezeichnet wird, also der mit dem größten Lerneffekt.

„Bisher war immer Innovation draußen auf dem Markt das große Thema. Diese Innovationskraft richtet sich jetzt verstärkt nach innen“, begründet Juror Thomas Vollmöller, Vorstand des Karrierenetzwerkes XING, den Erfolg der neuen Arbeitsmodelle. Unternehmen sind gut beraten, den Blick nach innen zu richten; auf die interne Kommunikation über Fehler und ihre Potenziale. Nicht Vertuschung und Strafe, sondern Offenheit und Anerkennung. Das ist der Kern der positiven Fehlerkultur in der neuen Wirtschaft.

In Deutschland gilt ein Scheitern in der Biografie als Makel. Die wenigsten trauen sich etwas anzupacken. Oft nehmen wir nur die Risiken in den Blick, sehen nur die Fallhöhe und übersehen dabei die Chancen. Fehler machen uns nicht zu Versagern, Fehler machen uns besser.

Wo wären wir heute ohne die großartigen Unternehmensgründer wie T.J. Watson von IBM mit seiner Aussage „Erfolg beruht oft genug auf Fehlern“ oder Henry Ford als Verfechter des Systems „Trial and Error“. Jeder einzelne und jedes Unternehmen hat die Möglichkeit hier eigene Formate zu schaffen und über Fehler zu sprechen.

Rückschläge wegzustecken erfordert Ausdauer und mentale Kraft. Doch genau dies ist auch die Grundvoraussetzung, um die Motivation aufrechterhalten zu können. Schon die alten Römer wussten: „Errare humanum est“ – „Irren ist menschlich“.