Der Wissenschaftler Alessandro Pluchino hat in seiner Studie „Talent versus luck: The role of randomness in success and failure“ herausgefunden, dass der Verlauf unserer Karrieren auch von Zufällen abhängt. Die Studie zeigt, dass viele Menschen entscheidende Schritte zum beruflichen Erfolg verpassen, glückliche Zufälle und neue Wege gar nicht wahrnehmen, weil sie sich zu sehr auf die Optimierung ihres Könnens konzentrieren.
In der Untersuchung wird auch überprüft, ob ein Zusammenhang zwischen Erfolg und Talent besteht. Das Ergebnis in einem Satz: die talentiertesten Menschen sind selten die erfolgreichsten.
Heißt das also harte Arbeit lohnt sich nicht, Engagement wird nicht belohnt und Talente sind völlig irrelevant? Zeigt die Studie, dass wir uns einfach zurücklehnen sollten und darauf warten, dass ein glücklicher Zufall alles regelt?
Genau dieser Frage ist das interdisziplinäre Forscherteam von Pluchino nachgegangen. Dazu haben sie ein mathematisches Modell entworfen, auf dessen Grundlage sie ermittelt haben, in welchem Zusammenhang Erfolg und Talent wirklich stehen. Die Ergebnisse legen nahe, dass die talentiertesten Menschen fast nie die erfolgreichsten sind. Vielmehr rekrutieren sich die erfolgreichsten Personen häufig aus der Gruppe der eher durchschnittlich talentierten Menschen.
Das Glück der Tüchtigen? Wenn aber kein direkter Zusammenhang zwischen dem Maß an Talent und dem Grad an Erfolg besteht, welcher Faktor ist dann entscheidend? Die Ergebnisse der Untersuchung legen nahe, dass der ausschlaggebende Faktor für Erfolg das Glück – oder um es etwas nüchterner auszudrücken – der Zufall ist. Die Forscher weisen in ihrem Papier jedoch ausdrücklich darauf hin, dass Talent durchaus Einfluss auf den Erfolg hat, nur eben in einem geringeren Maße, als es viele Menschen gerne glauben wollen.
Interessanterweise tun sich Menschen sehr schwer damit, Zufallsfaktoren als solche zu erkennen. Vor allem, wenn es um den eigenen Erfolg geht. Der Publizist und Professor für Risikoanalyse Nassim Nicholas Taleb bezeichnet dieses Problem als narrative Verzerrung und meint damit die nachträgliche Schaffung einer stringenten Erzählung, um im Nachhinein eine plausible Erklärung für ein Ergebnis zu erhalten. In den Sozialwissenschaften wird das Phänomen auch als Rückschaufehler bezeichnet. Die Ursache liegt darin, dass unser Gehirn vor allem darauf trainiert ist, Muster zu erkennen. Nur so können wir uns letztlich in einer Welt aus völlig chaotischen Sinneswahrnehmungen zurechtfinden. Diese Tendenz unseres Denkens macht es allerdings recht schwierig, Zufälle als solche zu erkennen.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort?
Bezogen auf die obigen Forschungsergebnisse ergibt sich allerdings ein Problem aus unserer Mustergläubigkeit: Da Zufallsfaktoren beim Erfolg kaum wahrgenommen werden, werden viele Menschen auch weiterhin glauben, dass dieser eine direkte Folge von Talent darstellt. Da wir, dem Prinzip der Leistungsgesellschaft folgend, tendenziell natürlich lieber die talentiertesten Menschen mit wichtigen Aufgaben betreuen, stellen wir paradoxerweise sicher, dass talentiertere, aber vom Glück weniger bevorteilte Personen zusätzlich benachteiligt werden. Stellen Sie sich vor, Sie wären unglaublich talentiert. Durch Ihr Talent kommt der Erfolg anfangs von ganz alleine. Mühelos übertrumpfen Sie Ihre Kollegen. So geht es weiter in Ihrem Leben. Ein ums andere Mal erzielen Sie ohne große Anstrengungen Bestleistungen. Ihre Kollegen verzweifeln und geben sich damit zufrieden, irgendwie durchzukommen, ohne jemals an Sie herankommen zu können. Schließlich sehen diese sich als nicht so talentiert an wie Sie es sind. Also fügen sie sich ihrem vermeintlichen Schicksal.
Nur ein paar Unverbesserliche mühen sich ab, um besser zu werden. Einerseits wollen diese besser werden als Sie, vor allem aber wollen sie besser sein, als sie es selbst gestern waren. Doch diese „Pechvögel“ lernen etwas Entscheidendes für den langfristigen Erfolg. Sie lernen, wie sie Stärken weiter entwickeln und Schwächen beseitigen, um das mangelnde Talent auszugleichen.
Wer durch grandioses Talent gesegnet ist, ist eigentlich verflucht. Denn wenn er nicht beigebracht bekommt, dass Talent nichts wert ist, wenn man es nicht mit einer entsprechenden Einstellung und der kontinuierlichen Arbeit an sich selbst verbindet, wird derjenige niemals lernen, mit Rückschlägen umzugehen. Und damit früher oder später scheitern. Sportlergrößen wie Michael Jordan oder Dirk Nowitzki haben schon längst bewiesen, dass der Spruch „Hard work beats talent, if talent doesn´t work hard“ wahr ist. Zumindest dann, wenn man langfristig denkt.