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Biographische Interviews in der Management-Diagnostik

Seit der Publikation der ersten Auflage des Handbuchs „Management-Diagnostik“ von Werner Sarges im Jahr 1990 hat sich dieser Titel als Begriff in Wissenschaft und Praxis schnell verbreitet. Offenbar traf er auf eine Lücke: Es fehlte ein Überblick über Konzepte, Instrumente und Möglichkeiten psychologischer Eignungsdiagnostik für das besondere Anwendungsgebiet des Managements. In diesem Kontext soll die Management-Diagnostik als Untermenge der beruflichen Eignungsdiagnostik gesehen werden.

Der wesentliche Grund ist sicherlich die hohe Bedeutung des Managements für den Unternehmens- und Organisationserfolg. Zweifellos erfordert nachhaltiger Managementerfolg in einer sich immer schneller ändernden Wirtschaftswelt besondere Geschicklichkeit und Geschwindigkeit in Bezug auf die schnelle Anpassung an rasch wechselnde Gegebenheiten der Märkte und der Technik sowie das Erkennen und Nutzen von nicht immer leicht wahrnehmbaren Chancen.

Und das hat in  der Tat viel mit der Eignung derer zu tun, die wesentlich die Verantwortung in und für Unternehmen tragen. Die richtigen Führungskräfte für bestimmte Positionen zu finden, sei es innerhalb eines Unternehmens, sei es ausserhalb des Unternehmens, und adäquat zu platzieren, ist für Unternehmen eine Aufgabe von häufig existenzieller Bedeutung.

Von daher wäre es ein großer Gewinn, die Eignung und/oder das Potential von Managern vor ihrer Einstellung und/oder Förderung so genau wie möglich abschätzen zu können. Konsequenterweise haben inzwischen schon viele Unternehmen eigene Methoden zur „Management-Diagnostik“ eingerichtet, um die nötige Eignung und im besten Falle auch Potentialeinschätzungen intern selbstständig oder mithilfe externer Beratung professionell vorzunehmen.

Die Eignung einer Person gibt es hier immer nur mit Bezug auf bestimmte Anforderungen eines Berufs bzw. einer Tätigkeit. Zur Feststellung der Eignung müssen laut Sarges unterschiedliche Merkmalsträger wie Position und Person hinsichtlich einer Anzahl kritischer Merkmale auf Passung überprüft werden.

Die Position ist bei Fragen der Auswahl und Platzierung immer der Ausgangspunkt der Betrachtung. Eignung wird hier verstanden als Passung bestimmter Merkmale einer Person zu der in Rede stehenden Position, quasi ein Schlüssel-Schloss-Prinzip.

In der Praxis der beruflichen Eignungsdiagnostik haben biographische Daten seit jeher eine bedeutende Rolle gespielt. Bei Prozessen von Auswahlentscheidungen und Potentialeinschätzungen ist allein schon das Prüfen der für eine Position erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen der erste unverzichtbare Schritt.

 

Auch die Wissenschaft misst jobrelevanten biographischen Informationen große diagnostische Bedeutung bei, da für viele eignungsrelevante Merkmale eine hohe Stabilität über die Zeit nachgewiesen werden konnte. Nicht nur derzeitige, sondern auch frühere Ausprägungen wichtiger Könnens- und Wollensfaktoren einer Person bleiben auch in Zukunft so oder ähnlich erhalten und sind gut zur Vorhersage von Job- oder Berufserfolg geeignet – was ein gängiger Aphorismus plakativ ausdrückt: Der beste Prophet für zukünftiges Verhalten ist vergangenes Verhalten.

Die Empfehlung der Wissenschaft lautet, dass man idealerweise die für eine Position wichtigsten Anforderungsmerkmale zur Prüfung von Kandidaten mit drei diagnostischen Ansätzen, also multimethodal, ermitteln sollte: z.B. über Tests, Arbeitsproben und biographische Daten.

Insbesondere bei Spitzenpositionen wird in der Regel auf den rein faktenbezogenen biographischen Ansatz reflektiert. Hier wird auf bisherige Ergebnisse und Leistungen fokussiert. Mit seriösen, professionell geführten biographischen Interviews ist es zudem möglich, weitergehende Informationen über Verhalten und Eigenschaften zu erhalten.