Die Geheimnisse der Konferenzpsychologie hat die US-Psychologin Sharon Livingston enträtselt. Die Unternehmensberaterin hat im Laufe ihrer Karriere mehr als 40.000 Arbeitnehmer und Vorgesetzte gesprochen, beobachtet und analysiert. Ihr Fazit: Wo wir sitzen, zeigt, wie wir denken. Nach ihrer Theorie bestimmen vor allem sieben Typen die Alltagskonferenzen – vom Chef über den hartnäckigen Widersacher bis hin zum eifrigen Zustimmer. Wer den Sitzcode durchschaut, kann nicht nur das Verhalten seiner Mitstreiter besser entlarven oder beeinflussen – er kann so auch aktiv seine eigene Rolle innerhalb des Teams, der Abteilung oder des Unternehmens neu definieren.
Die Sitzordnung in einem Meeting „spiegelt in hohem Maße die Rangordnung in einem Unternehmen wider“, sagt Conny Antoni, Arbeits- und Organisationspsychologe an der Universität Trier. Neben formellen Rollen wie Manager und Mitarbeiter tragen Konferenzen vor allem zur „Verteilung der informellen Rollen“ bei.
Die Nähe zur Macht signalisiert dabei den Status am stärksten, darin sind sich die Kommunikationsforscher einig. Wer dicht am Chef sitzt, profitiert von kurzen Seitengesprächen, kann sich rückversichern und wird dadurch automatisch begünstigt. „Führung ist ein Zuschreibungsprozess“, sagt Antoni. So erhoffen sich all diejenigen, die in der Nähe der Machtzentrale sitzen, dass der Glanz der Leitfigur früher oder später auf sie abstrahlt. Insbesondere Leute aus der zweiten und dritten Reihe zeigen damit subtil, dass sie natürlich längst zum engeren Führungsstil gehören sollten. Vom Sitzplatz geht eine enorme Symbolkraft aus, die Status und Führungsanspruch beeinflusst.
- Ein Platz mit dem Rücken zur Tür zum Beispiel ist strategisch äußerst ungünstig. Für die meisten Beobachter gilt er als der „statusniedrigste Ort“. Wer dort sitzt, erkennt eintretende Kollegen zuletzt, muss sich jedes Mal umständlich umdrehen und bei fehlenden Unterlagen wird er nicht selten gebeten, die nötigen Dinge „mal eben“ zu holen. Ein Laufburschenjob.
- Der Platz mit Blick gegen das Fenster ist ebenso von Nachteil. Wer dort sitzt, muss andere Teilnehmer, die mit dem Rücken zum Fenster sitzen, stets im Gegenlicht anblinzeln. So geblendet gerät seine Erscheinung leicht ins Zwielicht: Wer so dreinschaut, wirkt irritiert und unsicher. Nicht gerade wie ein Macher mit Durchblick.
Der optimale Karriereplatz liegt nicht immer im Machtzentrum. Schon in den Siebzigerjahren fand der Psychologieprofessor Meridith Belbin heraus, dass für den Meetingerfolg der Mix aus verschiedenen Rollen entscheidend ist: Der Teamleiter ist genauso notwendig wie der Kreative, der Kritiker oder der Gruppenmoderator. Entsprechend hängt die jeweilige Sitzstrategie vom Selbstverständnis und den eigenen Zielen ab. Wer etwa keinen Führungsanspruch hegt und sich in der Rolle des Analytikers wohler fühlt, zieht sich besser auf seinen Eckplatz zurück.
Dort hat er alles im Blick, gerät kaum in mögliche Schussbahnen und hat genug Zeit, seine Schlüsse zu ziehen. Wer sich wiederum lieber als Teammoderator sieht, sucht idealerweise eine Tischposition, die ihm den Überblick über die gesamte Gruppe ermöglicht. Würde man versuchen, die „Schauspielbühne Meeting“ als Gesellschaftsspiel mit einem kurzen Satz zu beschreiben, so könnte man titeln: Du bist, wo du sitzt.
