Mit dem Thema Aufstieg beschäftigt sich u. a. der Soziologe Thomas Druyen. Auf die Frage, ob es in Deutschland noch ein Aufstiegsversprechen gibt, ist er der Meinung, dass die Rahmenbedingungen einen beruflichen Aufstieg zulassen. Jedoch versteht er den Terminus „Versprechen“ so, dass man sich Leistung, Wille und Engagement eher selbst versprechen und auch umsetzen muss.
Brauchen die Menschen, die erfolgreich werden wollen, eine besondere Mentalität bzw. Mindset? Druyen sagt, wer in seinem Mindset eine Struktur hat, die keinen Wettbewerb möchte, nicht gerne entscheidet und viel Zeit zur eigenen Verfügung unverzichtbar findet, die oder der wird viele Dinge nicht mit Freude machen wollen, die wettbewerbsorientiert sind. Wer hingegen ein Produkt, eine Idee oder ein Unternehmen fast zwanghaft und obsessiv umsetzen möchte, der hat ganz sicher ein völlig anderes Mindset. Und je nach Mindset nehmen wir auch unsere Umwelt wahr. Wir suchen fast immer nach Entsprechungen. Was unserem Mindset widerspricht, lehnen wir ab.
Von nix kommt nix
Das kann man natürlich – so Druyen – alles ändern, aber das kostet Kraft, Disziplin und auch Selbstüberwindung. So gibt es ein paar Impulse, die wohl bei außergewöhnlichem Erfolg fast immer eine Rolle spielen: Selbstdisziplin, Getriebenheit, Visionen, Bedingungslosigkeit, Mut und Risikobereitschaft und der Wille zur Selbstüberwindung. Ganz einfach ausgedrückt: Von nix, kommt nix.
Bei der Frage nach der Motivation für beruflichen Aufstieg findet man bei Druyen ebenfalls einen Antwortversuch. Streben erfolgreiche Menschen eher nach Geld oder vielmehr nach Anerkennung? In den USA und in China gehört beispielsweise beides zusammen. Bei uns werden Supererfolgreiche eher nicht verehrt und erlangen selten einen Kultstatus.
Im Ergebnis geht es immer um die legitime Sehnsucht eines zufriedenen Lebens. Und was psychologisch die Selbsteinschätzung von Erfolgreichen angeht, sehen diese sich fast alle von möglichen Verlustängsten bedroht. Angst ist ein permanenter Begleiter. Die Tatsache, vermeintlich erfolgreich zu sein, ist keine Entlastung. Aber erfolgreich zu sein, ist etwas Besonderes. Es sollte auch eine Verpflichtung für Verantwortung, Anstand und Würde sein.
Wenn ich heute mit erfolgreichen Bewerbern spreche, nehme ich praktisch immer zwei Eigenschaften wahr. Offenheit und den Glauben an sich selbst. Sie sind offen gegenüber Neuem, sehen darin potentiell Positives und können sich anpassen. Den extremen Glauben an sich selbst wird in der Psychologie „Belief in Achievement“ bzw. von Selbstwirksamkeit bezeichnet. Es ist die Überzeugung, Aufgaben immer zu schaffen, jede Herausforderung meistern zu können.
Cogito – ergo sum
Lassen sich die mentalen Voraussetzungen für beruflichen Erfolg erlernen? Ganze Regalmeter von Ratgeberliteratur versprechen genau das. Und hier gibt es widersprüchliche Denkschulen. Ich denke – also bin ich, sagten schon die alten Römer. Die einen setzen sich große Ziele oder denken groß oder programmieren ihre Sprache. Die anderen ordnen den Erfolg dem Habitus der jeweiligen Schicht, in die man hineingeboren wird, zu. Dieser spielt dann die entscheidende Rolle für die Karriere und den wirtschaftlichen Erfolg. Und dann gibt es die Aufsteigergeschichten über Menschen, die einfach an sich geglaubt und nie aufgegeben haben. Hier kommt der „Survivorship Bias“ ins Spiel. Nach dem Survivorship Bias werden Wahrscheinlichkeiten eines Erfolgs systematisch überschätzt, da erfolgreiche Personen oder Zustände stärker sichtbar sind als nicht erfolgreiche.
Das nennt man auch kognitive Verzerrung. Es gibt viele Erzählungen von und über Menschen, die es mit ihrem positiven Denken und ihrer Risikobereitschaft zu großem Erfolg gebracht haben, aber so gut wie keine über jene, die damit gescheitert sind. Über Misserfolg redet kaum jemand.
Das bedeutet nicht, dass die Idee des positiven Mindsets falsch ist, sie führt nur eben nicht zwangsläufig zum großen Erfolg. Beruflicher Erfolg ist das Ergebnis davon, Dinge auf eine bestimmte Art und Weise zu tun. Was man sich wünscht, muss man auf der geistigen Ebene eben schon in der Gegenwart genießen – das ist dann die Antizipation des möglichen späteren Erfolgs und auf alle Fälle eine erstklassige Motivation.