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Lost in Meetings

Meetings sind für das Funktionieren jeder Organisation notwendig. Sie bieten Raum für Diskussionen, Brainstorming und Problemlösungen. Sie bringen Menschen zusammen, um Ideen auszutauschen und Entscheidungen zu treffen. Darüber hinaus bieten Meetings die Möglichkeit, kreativ im Kollektiv verschiedene Sichtweisen zu durchdenken. Stichwort: Schwarmintelligenz. Funktioniert nur in der Gruppe.

In einer bei Harvard Business Manager veröffentlichten Umfrage gaben Führungskräfte an, 83 Prozent der Termine in ihren Kalendern seien verzichtbar. Sie sehen den „Meeting-Overload“ als den Produktivitätskiller im Büro schlechthin. Auch wenn das Problem allgemein erkannt ist, torpedieren endlose Vor- und Nach- sowie Team-, Abstimmungs-, Projekt- und Statusbesprechungen jedes Zeitmanagement.

Ganze Belegschaften fühlen sich insbesondere von virtuellen Meetings häufig überwältigt, überfordert und übermüdet. Und Meetings sind teuer. Wie hoch die Kosten sein können, wurde an einem fiktiven Beispiel von Prof. Ludwig Hierl für den Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller (BVBC) vorgerechnet: 7 Personen zu einem Stundensatz von jeweils 50 Euro besprechen sich 3 Stunden lang. Dadurch ergeben sich Lohnkosten von 1050 Euro. Dazu kommt die kalkulatorische Miete für den Raum, gegebenenfalls auch Strom und Getränke in Höhe von weiteren 150 Euro.

 

In dem Beispiel können die Mitarbeitenden während des Meetings außerdem andere Aufgaben nicht erledigen, die einem fiktiven Nutzwert von 600 Euro entsprechen. So könnte einem Einkäufer durch die Besprechung die Zeit fehlen, ein Angebot eines alternativen Lieferanten einzuholen, das dem Unternehmen diesen Betrag eingespart hätte. Das imaginäre Meeting kostet also 1800 Euro. Der Rückschluss aber, dass diese Summe durch eine Streichung der fiktiven Besprechung eingespart werden könnte, sei „so naheliegend wie gefährlich“, warnt Finanzexperte Hierl. Denn nicht für jedes Meeting lassen sich Kosten und Nutzen zutreffend prognostizieren.

Und ob ein Meeting sinnvoll ist oder nicht, sei außerdem nicht nur eine Kostenfrage, sagt die Arbeitspsychologin Laura von Gilsa. Sich sehen, Zeit miteinander verbringen, die Stimmung der Kollegen erspüren. All diese Funktionen sind wichtig für das Miteinander im Unternehmen und damit letztlich auch für die Produktivität. „Mitarbeiter gehen anders ins Gespräch, wenn sie sich persönlich sehen“, sagt von Gilsa. Sinnvoll ist ein Meeting dann, wenn sich die Teilnehmer über konkrete Inhalte besprechen, im Vorfeld vielleicht in einer Tagesordnung avisiert. Doch längst nicht in allen Meetings diskutieren die Teilnehmenden über konkrete Fragen und arbeiten auf ein bestimmtes Ziel hin. In manchen Unternehmen hat man Meetings entsprechend kultiviert. Ein Bestandteil dieser Kultur ist beispielsweise, dass man einen meetingfreien Tag in der Woche hat. Dies soll den Mitarbeitenden ermöglichen, dass man ungestört und fokussiert arbeiten kann. Es gibt Standardzeiten für Besprechungen, nicht länger als 30 oder 60 Minuten.

Ein Konzern, der dafür bekannt ist, schon seit Jahren rigoros gegen unproduktive Meetings vorzugehen, ist Amazon. Hier gilt die „Zwei-Pizza-Regel“. Sie besagt, dass an einem Meeting nur so viele Mitarbeitende teilnehmen dürfen, dass sie von maximal zwei Pizzen satt werden. Bei einer Pizza in typischer „US-Größe“ ist also bei 8 Teilnehmern Schluss. Bei der Vorstellung von Projekten wird auf aufwändige Powerpointpräsentationen verzichtet. Ideen oder Projekte werden als Memos oder sog. „Paper“ vorgestellt. Die Psychologin von Gilsa regt an, auch einmal Treffen im Stehen stattfinden zu lassen. Da die meisten Menschen nicht gerne lange stehen, ist man bemüht, ein Meeting schneller zu beenden.